Am Heiligen Abend versammelten sich viele Menschen auf dem Sinziger Kirchplatz, um Weihnachten zu feiern. Sie hörten eine Weihnachtsgeschichte, die ganz die ihre war.
Es begab sich aber zu der Zeit,
dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging,
dass alle Welt geschätzt würde.
Es begab sich aber auch zu der Zeit,
als eine Flut, ach was, ein Tsunami
das Flussbett der Ahr,
der schönen, beschaulichen, weinseligen Ahr
herunterdonnerte,
mitten im Sommer.
Und es begab sich zu der Zeit,
als ein winziges Virus die ganze Welt im Griff hatte.
Und immer wenn wir dachten, es sei umgekehrt,
wir hätten das Virus im Griff,
zeigte es, wozu es in der Lage war,
legte ein neues Gewand an,
stürzte sich mit Freuden in jedes Getümmel
und brachte die Welt, Flugzeuge und Herzen zum Stillstand.
Es begab sich aber zu der Zeit,
dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging,
dass alle Welt geschätzt würde.
Und diese Schätzung war die allererste
und geschah zur Zeit,
da Quirinius Statthalter in Syrien war.
Ja, es geschah alles zu der Zeit,
als Angela Merkel noch Kanzlerin war.
Aber es war auch schon Wahlkampf.
Einige redeten vom Klimawandel,
andere redeten ihn klein.
Und dann trat eine neue Regierung an.
Alles musste sich noch finden.
Nichts lief selbstverständlich.
Fast täglich fanden Pressekonferenzen
und Spezialsendungen statt.
Diese Zeit war das.
Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe,
ein jeder in seine Stadt.
Na ja, ein paar blieben auch, wo sie waren.
Sie wollten von der oberen Etage aus auf ihr Haus aufpassen,
weil unten doch alles offen stand,
denn die neuen Fenster und die neue Haustür ließen auf sich warten.
Und bei den Verwandten mit so vielen im kleinen Wohnzimmer,
das ist ihnen in diesem Jahr nicht geheuer.
Dabei täte es so gut,
dabei bräuchten wir es so.
Andere machten sich tatsächlich auf.
Weil sie noch nicht mal in der oberen Etage gut und warm leben können.
Weil das Leben in ihrem Land nicht mehr lebbar für sie ist.
Und da wären noch einige andere Gründe zu nennen.
Also zogen sie los:
eine jede und ein jeder in eine Stadt,
wo es für sie hoffentlich gut wäre.
Da machte sich auf
auch Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth,
in das jüdische Land zur Stadt Davids,
die da heißt Bethlehem,
weil er aus dem Hause und Geschlechte Davids war,
damit er sich schätzen ließe mit Maria,
seinem vertrauten Weibe; die war schwanger.
Auch das noch:
Sich schwanger auf den Weg machen müssen!
Da will jede Frau doch am liebsten zu Hause bleiben,
alles fällt ihr schwer,
sie hat den Eindruck,
sie bewege sich wie ein großes, schwerfälliges Schiff.
Und jetzt gut 140 Kilometer nach Bethlehem.
Wir hoffen, Josef und Maria hatten den Esel dabei,
der auf vielen Bildern zu sehen ist.
Wir hoffen, sie erfahren Unterstützung
und werden überall gut aufgenommen.
Und als sie dort waren, kam die Zeit, dass sie gebären sollte.
Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln
und legte ihn in eine Krippe;
denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge.
Wie kann das denn sein?
Oder war das wie heute:
Jedes Zimmer genutzt,
jede Ferienwohnung vorübergehend belegt,
jede noch so kleine Wohnung mit Freuden genommen.
Bei Verwandten untergekommen
oder bei Freundinnen und Freunden.
Froh, etwas gefunden zu haben.
Für den Übergang alles gut.
Aber irgendwann zehrt es auch an den Nerven.
Wie es den beiden wohl ging?
Und wer half überhaupt bei der Geburt?
Gab es jemanden, der sich mit ihnen freute?
Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden,
die hüteten des Nachts ihre Herde.
Und der Engel des Herrn trat zu ihnen,
und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie;
und sie fürchteten sich sehr.
Normalerweise fürchteten sie sich vor nichts.
Hirten waren einiges gewohnt:
Immer draußen,
Wind und Wetter, Räubern und wilden Tieren ausgesetzt –
da darf man nicht zart besaitet sein,
da muss man, wie die Schafe zur Winterszeit,
ein dickes Fell haben,
da muss man sich manchmal auch vor seine Herde stellen
und bereit sein, sie zu verteidigen.
Doch das hier war anders.
So etwas hatten sie noch nie erlebt:
dass es mitten in der Nacht so hell werden würde,
dass da etwas war,
voller Licht und Musik
von ganz weit her.
Nein, wenn man sie gefragt hätte,
ob sie mit so etwas gerechnet hätten,
sie hätten es bestritten.
Hätten gesagt: Alles Mögliche kann mitten in der Nacht passieren,
das haben wir erfahren,
aber so etwas,
Licht und etwas nicht von dieser Welt
und etwas, das unsere Nacht und Nacht-Gedanken aufbricht,
nein.
Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht!
Siehe, ich verkündige euch große Freude,
die allem Volk widerfahren wird;
denn euch ist heute der Heiland geboren,
welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids.
Und das habt zum Zeichen:
Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt
und in einer Krippe liegen.
Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen,
die lobten Gott und sprachen:
Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden
bei den Menschen seines Wohlgefallens.
Und mitten in der Nacht –
mitten in ihre Nacht-Gedanken hinein,
an dem Ort, an den sie hingehörten,
und an dem Ort,
an den es sie schlicht verschlagen hatte,
allein oder zwischen lauter Menschen,
mit nichts und mit allem, was schon immer da war –
hörten sie die Worte der Engel:
Freude,
Heiland,
Heiland, der ganz macht,
der versöhnt,
der lindert,
der aufrichtet,
der aufbaut,
„Kind“ hörten sie
und „Krippe“.
Von Gold und Silber und einem Palast war keine Rede,
aber vom Frieden
und von Erfüllung von Sehnsucht
und davon, dass die Erde wieder zur Heimat werden könne,
und von Gott,
der ganz unerwartet in ihre Nacht hineingekommen war.
Und als die Engel von ihnen gen Himmel fuhren,
sprachen die Hirten untereinander:
Lasst uns nun gehen nach Bethlehem
und die Geschichte sehen, die da geschehen ist,
die uns der Herr kundgetan hat.
Und sie kamen eilend und fanden beide, Maria und Josef,
dazu das Kind in der Krippe liegen.
Ja, sie machten sich ganz schnell auf.
Einige liefen sofort los.
Vielleicht griffen sie noch nach einer Laterne.
Andere überlegten erst:
Wenn da ein Kind geboren wurde,
dazu so ein besonderes Kind,
ein himmlisches Kind –
auch wenn ich das nicht recht begreifen kann –
aber müssen wir da nicht etwas schenken?
Die jungen Eltern könnten bestimmt etwas gebrauchen.
Ihnen scheint es ja nicht viel besser zu gehen als uns.
Viele Legenden erzählen davon,
was die Hirten schließlich,
manchmal nach langem Suchen,
zur Krippe brachten.
Einer brachte einen Krug mit Milch.
Ein anderer brachte ein Brot,
wieder ein anderer Eier.
Einer brachte ein Schaffell.
Einer brachte seine Nacht-Gedanken.
Ein kleiner Hirte kitzelte das Jesuskind am Fuß
und brachte ein Lächeln.
In diesem Jahr hörte ich von Hirten,
die mit Kaffee durch die nachtdunklen Tage liefen
und ihn allen anboten,
zusammen mit ein paar guten Worten.
Andere kochten und brachten das Essen in die Häuser,
in denen noch Schlamm geschippt wurde.
Manchmal griffen die Hirten, kaum angekommen, selbst zur Schaufel
und halfen, den Keller leer zu bekommen.
Oder den Putz von den Wänden zu schlagen.
Manche Hirten brachten, als Sommer war, Sommerkleider,
und als es kalt wurde, Winterkleider.
Manche Hirten brachten ihre Wut:
Da wurde es einmal hell und alle Welt freute sich,
aber sie konnten die Nacht einfach nicht abschütteln!
Andere brachten ihre Verzweiflung,
weil ihnen das Leben, die Arbeit, die Sorgen über den Kopf wuchsen.
Einer brachte, ich habe es genau gesehen, eine Maske.
Vielleicht wollte er sie am liebsten loswerden,
vielleicht wollte er das Kind aber auch schützen,
wer weiß es.
Eine Hirtin brachte nichts,
stand nur da und schaute
und war froh, nicht allein zu sein.
Und dann wieder brachte ein Hirte einen Stern
und eine Hirtin brachte einen Engel.
So war das in diesem Jahr.
Als die Hirten es aber gesehen hatten,
breiteten sie das Wort aus,
das zu ihnen von diesem Kinde gesagt war.
Und alle, vor die es kam, wunderten sich über das,
was ihnen die Hirten gesagt hatten.
Maria aber behielt alle diese Worte
und bewegte sie in ihrem Herzen.
Und die Hirten kehrten wieder um,
priesen und lobten Gott für alles,
was sie gehört und gesehen hatten,
wie denn zu ihnen gesagt war.