Was machen eigentlich …
all die Menschen in unserer Kirchengemeinde in dieser Zeit?
Was machen zum Beispiel … unsere Pfarrerinnen?
Anfangs rennt sie allen Eilmeldungen – abwechselnd – von der Landeskirche und dem Kirchenkreis hinterher.
Ihr ist das alles zu viel auf einmal, wie allen anderen in der Bevölkerung auch.
Sie backt. Das beruhigt sie.
Dann setzt sie sich hin.
Und plant:
Konfirmationen – ja oder nein? Oder unter welchen Bedingungen?
Sie berät sich.
Sie macht einen Vorschlag.
Er wird verworfen. Und ist auf einmal sowieso nicht mehr erlaubt.
Sie denkt weiter nach: Wie kann Kirche jetzt für Menschen da sein?
Da ist die Idee mit den Briefen auf der Wäscheleine vor den Gemeindehäusern und Kirchen.
Sie sucht Texte für jeden Tag.
Sie hängt sie morgens auf die Wäscheleine. Manchen Menschen schickt sie die Texte per E-Mail, anderen steckt sie sie in den Briefkasten.
Sie streamt keine Gottesdienste. Das können andere besser.
Dafür bereitet sie Gottesdienste für den Küchentisch vor.
Sie freut sich, dass Menschen das wahrnehmen und für sich ausprobieren.
Sie freut sich an den Rückmeldungen auf die Texte und die Gottesdienste.
Sie bemalt Ostersteine.
Sie singt jeden Abend um 19 Uhr „Der Mond ist aufgegangen“.
Sie führt Dienstgespräche: Nichts ist in dieser Zeit selbstverständlich, alles muss neu überlegt und geplant werden.
Sie schreibt Beiträge für die Homepage und für Zeitungen, damit die Gemeinde weiß, was doch noch stattfindet.
Sie bestattet Menschen aus unserer Gemeinde.
Sie muss viele Telefonate dafür führen: Sie spricht mit den Angehörigen. Sie spricht mit den Bestattern, sie spricht mit dem Ordnungsamt: Was ist erlaubt? Wie sind die Regeln? Nicht immer ist es einfach, sie da zu einigen.
Sie telefoniert ohnehin viel: mit Geburtstagskindern, mit Menschen, die ein seelsorgerliches Gespräch suchen, mit alten Menschen, die das Haus nicht mehr verlassen …
Sie überlegt sich, wie sie die Menschen im Altenheim erreichen kann.
Sie schreibt einen Ostergruß, sie plant wöchentliche Andachten im Freien.
Sie vermisst Menschen.
Es schmerzt sie, dass sie manchen Einsamen nicht mehr helfen kann.
Sie feiert Ostern.
Sie steht im Eingang oder vor ihrer Kirche und spricht endlich mal wieder mit Gemeindegliedern, die gekommen sind, um sich eine Osterkerze abzuholen.
Sie liest immer noch täglich die Corona-Meldungen der Landeskirche.
Manchmal schaut sie in ein theologisches Buch. Seltener als gedacht.
Manchmal bereitet sie eine Veranstaltung vor, die im Mai geplant ist, ohne zu wissen, ob diese Veranstaltung auch stattfinden kann.
Sie nimmt an einer Fortbildung zu Videokonferenzen im Internet teil.
Sie hat keine Abendveranstaltung und findet das schön.
Sie wundert sich, wie schnell die Zeit vergeht.
Sie freut sich, dass manches bald wohl wieder möglich sein wird, doch sie weiß noch nicht, wie.
Sie sorgt sich, dass manche jetzt zu sorglos sein könnten.
Sie weiß immer noch nicht, wann die Konfirmation stattfinden kann.
Und die Taufen, die für Ostern oder jetzt für den Mai geplant waren.
Sie übt sich in Geduld.
Und dann singt sie doch.
Was macht … unsere Jugendleiterin?
Zu Beginn:
¤ Ruhe bewahren und erstmal abwarten was passiert
¤ versuchen, so gut es geht, die Einschränkungen im direkten Kontakt mit den Jugendlichen umzusetzen, dabei aber so viele Angebote aufrechtzuerhalten wie möglich
¤ die Nachrichten verfolgen, welche Entwicklungen es gibt
¤ Kontakt zu den Kolleg*innen im Kirchenkreis suchen und hören, wie sie mit der Situation umgehen
¤ mit Pfarrerin Laubmann alles Mögliche besprechen
¤ einen Einkaufsdienst anbieten
Etwas später:
¤ schwere Entscheidungen treffen: Angebote absagen, Jugendfreizeit absagen – traurig sein!!!
¤ kurzen Anflug von Panik überstehen, was ich denn jetzt bloß die ganze Zeit machen soll?!?
¤ sich wieder entspannen und den Sekretärinnen helfen, den Pfarrerinnen unter die Arme greifen und beim Verteilen der Briefe unterstützen
¤ für eine alte Dame aus der Gemeinde Geranien in ihrer Wunschfarbe für ihre Terrasse ergattern
Noch etwas später:
¤ neue Wege suchen, wie der Kontakt zu den Jugendlichen trotz Einschränkungen möglich sein kann
¤ Instagram nutzen, um der Gemeinde Angebote zu machen
¤ Online-Fortbildungen beiwohnen und neue Methoden im digitalen Bereich kennenlernen
¤ viele Apps und Programme ausprobieren
¤ Andachten für Jugendliche schreiben
¤ weiterhin die Nachrichten verfolgen und anfangen, Atemschutzmasken zu nähen
¤ weiterhin mit Pfarrerin Laubmann alles Mögliche besprechen
¤ Onlinetreffen mit den Jugendlichen abhalten
Jetzt:
¤ neue Wege gehen
¤ mit der Theatergruppe in die wöchentlichen “Proben” wiedereinsteigen über Videokonferenzen
¤ helfen, den Konfiunterricht für die neuen Konfis auf das, was jetzt möglich ist, umzugestalten
¤ weiter Masken nähen
¤ weiter überlegen, wie Jugendarbeit demnächst aussehen kann
¤ offen sein für alles Weitere
¤ mich in Zuversicht üben.
Zwischendrin in dieser Zeit: mit meinen Freunden via Zoom Pubquiz spielen, fürchterlich viel wandern und sich daran erfreuen, dass ich dort leben darf, wo andere Menschen Urlaub machen, schlecht gelaunten Menschen mit viel Freundlichkeit begegnen, noch viel mehr kochen, als ich es eh schon tue, nur bewusst und gezielt Nachrichten verfolgen, viel lesen, viel Musik hören, ganz viel Telefonieren mit lieben Menschen …
Was machen … unsere Sekretärinnen?
Sie sitzt in ihrem Büro.
Sie hört die Berichte von der drohenden Pandemie.
Sie ist alarmiert und versucht sofort, Desinfektionsmittel für die Hände und entsprechende Spender für die Gemeindehäuser zu bestellen.
Im Internet findet sie zwar welche, aber die sind alle erst Mitte Juni lieferbar.
Sie arbeitet weiter.
Sie plant einen Umzug: von einem sehr kleinen Büro in ein größeres.
Sie nimmt x Bücher, Ordner, CDs, Diakästen und anderes in die Hand und überlegt zusammen mit der Pfarrerin und Jugendleiterin, was davon noch gebraucht wird.
Sie sortiert aus, im Büro liegen verschieden Stapel. Sehr hoch.
Sie zieht um.
Sie sitzt in ihrem neuen Büro.
Sie beantwortet E-Mails und Anrufe. Wie immer.
Aber sie öffnet nicht die Tür: Unsere Büros haben geschlossen.
Sie druckt die Texte „Für heute“ aus, schneidet sie, faltet sie und steckt sie in Briefumschläge. Die sie vorher noch schön bedruckt hat.
Sie druckt die „Gottesdienste am Küchentisch“ aus und steckt sie in Briefumschläge.
Sie bereitet die Geburtstagsgrüße für Seniorinnen und Senioren vor und bringt sie zur Post.
Sie bearbeitet die Homepage.
Sie erstellt Artikel für die Presse oder leitet Artikel weiter.
Sie beschäftigt sich mit dem Arbeitsrecht: Muss für einige Mitarbeitende, die jetzt keinen Dienst tun können, Kurzarbeit angemeldet werden?
Die Zeit, in der das Gemeindehaus jetzt nicht genutzt werden darf, ist ideal, um den beschädigten Parkettboden aufzuarbeiten. Sie veranlasst das.
Dann fällt die Heizung aus. Sie kümmert sich auch darum.
Nichts läuft wie immer: Die Presbyter*innen sind zwar gewählt, aber noch nicht eingeführt. Der neue Gemeindebrief ist da – mit lauter Ankündigungen, die nun nicht eingehalten werden können. Viele Austräger*innen gehören zu einer Risikogruppe und sagen aus Sorge wegen der Corona-Pandemie ihr Austragen ab. Sie kann das gut verstehen. Doch sie muss jetzt vieles neu organisieren.
Auf einmal muss sie auch noch technische Probleme lösen: Ein Schloss im Gemeindehaus funktioniert nicht und ein Computer lahmt. Gut, kümmert sie sich darum halt auch.
Sie telefoniert.
Sie hört, dass andere nun weniger Arbeit haben. Bei ihr ist das nicht so: Der Stapel auf dem Schreibtisch wird nicht kleiner.
Sie versucht erneut, Desinfektionsmittel zu bestellen. Diesmal findet sie welche, doch die sind horrend teuer. Sie lässt das Bestellen.
Die Konfirmanden- und Kindergottesdienst-Familien sollen merken, dass die Gemeinde an sie denkt. Sie verschickt die Briefe.
Sie nimmt die Anmeldungen für den nächsten Konfirmanden-Jahrgang entgegen. Einige hatten die Einladung zum Konfirmandenunterricht gar nicht bekommen, denen schickt sie alle Unterlagen.
Sie feiert Überstunden ab.
Sie druckt die Texte „Für heute“ aus, schneidet sie, faltet sie und steckt sie in Briefumschläge. Die sie vorher noch schön bedruckt hat.
Sie denken: Das hatten wir doch schon? Stimmt, aber was meinen Sie, wie viel das ist, für jeden Tag …
Sie schreibt Rechnungen.
Jetzt soll sie auch noch ein paar Gedanken für die Homepage schreiben (die Pfarrerin hat sie darum gebeten) – auch das noch!
Sie kocht sich einen Tee. Auch für den Tee der Pfarrerin ist genug heißes Wasser da.
Sie bespricht und plant Dinge mit der Küsterin, Pfarrerin und Jugendleiterin.
Sie sucht die Wände danach ab, wo ein Spender für Desinfektionsmittel angebracht werden könnte.
Sie versucht, Mund-Nasen-Masken zu bestellen. Sie findet welche, sie sind eine Woche später lieferbar. Doch der Shop ist ihr nicht geheuer. Sie findet ein anderes Angebot. Sie wartet eine halbe Stunde, um das mit der Pfarrerin zu besprechen. Danach sind die Masken ausverkauft.
Sie rauft sich die Haare. Schnaufen und Luftablassen wäre auch mal gut.
Dann druckt sie die Texte „Für heute“ aus … Aber das wissen Sie ja schon.
Was machen … unsere Küsterinnen?
Als erstes hängt sie um 7 Uhr die Briefe „Für heute“ an den Zaun vor dem Remagener Gemeindehaus.
Danach hängt sie den Text in den Schaukasten. Und schaut, ob alles aktuell ist.
Sie hilft der Sekretärin beim Umzug in ein neues Büro.
Sie räumt Regale aus und um – was sich alles ansammelt!
In einer Krise darf man sich nicht gehen lassen, auch ein Gemeindegrundstück nicht: Deshalb kehrt sie als nächstes die Straße, die Gänge zum Gemeindehaus und den Parkplatz.
Jeden Tag.
Sie mäht den Rasen. Der wächst wie verrückt, oder?
Sie verzweifelt schier am Unkraut auf dem Parkplatz.
Sie räumt auf: mal in der Kirche, mal in Gemeindehaus.
Sie sortiert kaputte Gesangbücher aus und bereitet sie zur Abholung vor.
Sie telefoniert, liest E-Mails, schreibt E-Mails, reagiert auf E-Mails.
Sie trägt Termine in den Kalender ein.
Sie hilft der Sekretärin, die Unmengen an Briefen „Für heute“ bereit für die Wäscheleine zu machen.
Sie repariert die Fahnenseile.
Sie repariert Jalousien, die sich nicht mehr rauf- oder runterrollen lassen.
Sie macht in der Kirche sauber, nachdem der neue Boden verlegt wurde.
Sie muss sich etwas einfallen lassen für ein Regal, das zu kippen droht, für eine kaputte Schublade, für die Osterkerze, die nicht sicher steht.
Sie bereitet den Tisch für das Osterfest vor.
Sie läutet an jedem Sonntagmorgen zur Gottesdienstzeit.
Sie entstaubt den Gemeindesaal, in dem gerade das Parkett abgeschliffen wurde.
Sie räumt den Gemeindesaal wieder ein.
Sie bespricht mit der Pfarrerin und der Sekretärin, was vorbereitet werden muss, wenn das Gemeindehaus, das Büro und vielleicht auch die Kirche demnächst wieder öffnen.
Sie misst zusammen mit der Pfarrerin das Gemeindehaus und die Kirche aus:
Wie viele Menschen dürften einen Gottesdienst feiern? 20? 30? Oder mehr? Wie muss überhaupt gemessen werden? Mit wie viel Menschen darf eine Veranstaltung im Gemeindehaus stattfinden? Wie kann man dafür die Tische stellen?
Sie berät sich.
Sie versorgt die ersten Kreise und Gesprächsrunden, die sich wieder im Gemeindehaus treffen.
Sie mäht schon wieder den Rasen.
Dann pflanzt sie Rosen: alles zwischen Rot und Weiß.
Sie baut Überstunden ab.
Sie kümmert sich ehrenamtlich um Menschen in der Gemeinde, ruft sie an und steckt ihnen die Briefe „Für heute“ in den Briefkasten und den „Gottesdienst am Küchentisch“.
Am Abend läutet sie um 19.30 Uhr die Glocken der Kirche. Zusammen mit den katholischen Glocken klingt es über die Stadt.
Für die Küsterin neigt sich der Tag dem Ende.
Was macht … Frau Soundso?
Sie wissen nicht, wer Frau Soundso ist? Kann sein. Vielleicht kennen Sie sie aber doch.
Sie ist – fast – wie immer: herzlich, positiv und tief gläubig. Ein reines Herz.
So möchte ich auch sein, in Zeiten der Not.
Sie kommt mit wenig aus. Kam sie schon immer: Kartoffeln, Mehl, Öl, Zwiebeln, Tee, Zucker. Viel mehr braucht es nicht.
Was ihr fehlt, ist Besuch. „Können Sie nicht vorbeikommen?“ – „Ach, ich darf doch nicht! Das geht doch gerade nicht.“ Dann besuchte ich sie doch. Ich weiß nicht, wem mehr geschenkt wurde.
Wenn schon niemand sie besuchen darf (eigentlich), dann geht sie halt raus. Nur ein paar Schritte vor dem Haus auf und ab, auf und ab. Dann ist sie draußen, an der Luft, und vielleicht kommt ja doch jemand vorbei und bleibt bei ihr stehen.
Sie sorgt sich um die Kinder, die jetzt nicht „in die Schul“ gehen können. Was machen die bloß den ganzen Tag?
Sie selbst liest in der Bibel. Dort findet sie Worte, die für sie dieser Zeit einen Sinn geben: „Geh hin, mein Volk, in deine Kammer und schließ die Tür hinter dir zu! Verbirg dich einen kleinen Augenblick, bis der Zorn vorübergehe.“ (Jesaja 26,20) Mit diesen Worten ist auch ihr Alleinsein in Gott aufgehoben.
Und dann geht sie in ihre Kammer, an den Tisch mit der Bibel und dem Gesangbuch und dem Andachtsbild, und dann betet sie. Und dann ist Gott da, und alles ist gut.
Was machen eigentlich … eine Konfirmandin und ein Konfirmand, deren Konfirmation gerade auf unbestimmte Zeit verschoben wurde?
„Man muss das Beste draus machen. Gib nicht auf, zu hoffen!“
Die Konfirmation wurde auf einen unbekannten Zeitpunkt verschoben, und auch die Schulöffnung für alle Klassen ist noch nicht vollendet.
Was mache ich denn dann den ganzen Tag?
lesen
Trampolin springen
Homeschooling
Schulaufgaben
lernen
Dominosteinketten bauen (das reinste Geduldsspiel)
zeichnen
den Fernseher anschalten
Rätselhefte lösen
mein Zimmer umräumen
Home-Training
laufen gehen
Was kann ich nicht machen? Was davon fehlt mir?
Taekwondo-Training
ins Schwimmbad gehen
mich mit Freunden treffen
in die Schule gehen
meine Großeltern „richtig“ treffen, ohne Mindestabstand
Filmabende mit meinen Freunden veranstalten
Was freut mich?
dass alle Arbeiten und 10-Stunden-Tests ausgefallen sind
mal viel Zeit für etwas hat (z.B. Rätselhefte lösen)
ein entspannter Spaziergang im Wald
Ich bin froh, dass wir mal eine Pause von der Schule machen können und ich an meinem Geburtstag keine Schule habe.