Am Nachmittag des 8. Januar dieses Jahres fand in der St. Peter- und Paul-Kirche in Remagen ein ökumenischer Gottesdienst statt. Der besondere Anlass war: Die katholischen und evangelischen Gemeinden aus Oedingen, Oberwinter, Remagen und Kripp, einschließlich der Kripper Credogemeinde, rücken näher zusammen. Im Beisein von Vertretern der beiden Kirchenleitungen und Vertretern aller Gemeinden fand die feierliche Unterzeichnung der „Erweiterten ökumenischen Vereinbarung“ statt. Ökumene bedeutet: „der bewohnte Erdkreis“, im kirchlichen Sinne die Gesamtheit der Christen aller Kirchen und Konfessionen. Am 2. Advent 2004 hatten bereits die Pfarreien St. Nepomuk/Kripp, St. Peter-und-Paul/Remagen und die Evangelische Kirchengemeinde Remagen-Sinzig mit ihrem Pfarrbezirk Remagen-Kripp eine sorgfältig erarbeitete Ökumenische Vereinbarung in einem festlichen Abendgottesdienst unterzeichnet. Auch die altkatholische Gemeinde St. Jakobus war damals dabei. Dieser Vereinbarung schlossen sich nun die evangelische Gemeinde Oberwinter, die Pfarreien St. Laurentius/Oberwinter, St. Gertrudis/Oedingen und die Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde in Kripp an.
Im Johannes-Evangelium, Kapitel 17,21, betet Jesus: „Alle sollen eins sein, wie du, Vater , in mir bist, und ich in dir bin, so sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaube, dass du mich gesandt hast“ . Dieses Gebet Jesu wollen die Gemeinden miteinander leben. Feierliche Orgelmusik, Flötenklänge und Gesang bildeten den würdigen Rahmen.
Die Kapitelüberschiften der Vereinbarung sind Programm: „Nachbarschaftsökumene –
- findet ihren Ausdruck im gemeinsamen Gottesdienst,
- gehört zu den Grundlagen des Gemeindelebens,
- dient dem vertieften gegenseitigen Verstehen und der gegenseitigen Annahme, in Besinnung auf die gemeinsamen biblischen Grundlagen und verbindenden Traditionen,
- ist der gegebene Ort, eine ökumenische Spiritualität zu entdecken und zu leben und den konfessionsverbindenden Ehen, Familien und Gruppen eine geistliche Heimat zu geben,
- ist der Ort, an dem Lebensfragen des Einzelnen, der Öffentlichkeit und der Gesellschaft gemeinsames Thema sind,
- entfaltet sich in der lebendigen Begegnung und im gemeinsamen Handeln der Gruppen und Mitarbeitenden,
- bezieht Kinder und Jugendliche mit ein,
- lebt von der Gastfreundschaft,
- braucht wechselseitige Anteilnahme,
- bedarf der Institutionalisierung,
- Ist ein offener Prozess.“
In Remagen war es vor allem den Initiativen von Pastor Klaus Birtel, seinem evangelischen Partner Pfarrer Udo Grub und Elke Grub sowie Prof. Dr. Gottfried Bitter in Kripp zu danken, dass sich rege ökumenische Beziehungen am Ort entwickelten, die später von den direkten Nachfolgern, Pfarrer Dr. Johannes Georg Meyer und Pfarrerin Elisabeth Reuter gern aufgegriffen und fortgeführt wurden. Viele Personen beider Konfessionen, Frauen und Männer, trugen aktiv dazu bei, dass sehr vieles gemeinsam gemacht wurde. Stellvertretend für viele Gruppen seien drei hier genannt: Der Ökumenische Arbeitskreis Eine-Welt-Laden (1981), der Ökumenische Arbeitskreis Asyl, die Ökumenische Gruppe „Frauen im weltweiten Dialog“. Ein Highlight war der ökumenische Pilgerweg im April 1996 durch die Eifel, als wir einer Einladung von Präses Peter Beier und Bischof H.J.Spital folgten und an der Wallfahrt „Mit Jesus Christus auf dem Weg“ teilnahmen. Am Reformationstag 1999 wurde gemeinsam in der evangelischen Friedenskirche der Unterzeichnung eines bedeutenden Dokuments beider Kirchen, der „Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ in Augsburg gedacht. Diese Erklärung war erst durch die Reformen des II. Vatikanischen Konzils möglich geworden. Im Sonntagsgottesdienst danach sprach Dr. Peter Ockenfels in der evangelischen Kirche in Kripp ein Grußwort, während Frau Elke Grub in St. Nepomuk/Kripp die Bedeutung dieser Rechtfertigungs-Erklärung als ökumenischen Meilenstein würdigte.
Ein neuer Geist von gegenseitiger Wertschätzung stellte sich ein. Grußworte bei den Gottesdiensten aus Anlass von Erstkommunion, Firmung oder Konfirmation sind zur ständigen Gewohnheit geworden, um auch bei den Kindern und Jugendlichen den Gedanken der Gemeinschaft zu stärken. Ein eindrucksvolles Zeichen setzte Prof, Bitter im Jahr 2000. Er lud eine evangelische Presbyterin am Gründonnerstag zur Fußwaschung vor dem Altar ein (Johannes-Evangelium 13, 14-17) und drückte damit aus, dass Kirche dienende Kirche sein will, Ökumenische Gottesdienste in den Schulen, im Altenheim Curanum, die Fahrt zum 1.Ökumenischen Kirchentag nach Berlin 2003 und 2004 eine Fahrt zum Ökumenetag der Heilig-Rock-Tage in Trier waren und sind lebendige Zeugnisse von christlicher Nachbarschaftsökumene. Durch ihre Andacht an der Kapelle der Schwarzen Madonna beim Rheinwiesenlager in Remagen nehmen die Konfessionen jedes Jahr auch Stellung gegen rechtsradikale Marschierer, die Andenken verfälschen wollen.
Kirchliche Ökumene hat aber vor allem auch eine theologische Dimension. Jahrhundertelang begegneten sich evangelische und katholische Christen mit Gefühlen der Feindschaft, die aus der Kirchenspaltung des 16. Jahrhunderts heraus entstanden war. Ein Roman über den Bau der evangelischen Kirche in Oberwinter („Ein Juwel am Rhein“, ersch. 2020) gibt humorvoll einen Eindruck davon, welche Hindernisse sich auch praktisch zwischen den Konfessionen auftürmten. Lange Zeit wäre es kaum denkbar gewesen, dass ein katholischer Priester im Reformationsgottesdienst am 31.Oktober in der evangelischen Kirche die Predigt hält. In Remagen wurde dies zur Tradition. Und Pfarrer Udo Grub wurde eingeladen, die Predigt an Allerheiligen in der katholischen Kirche zu halten. Prozessionen am Fronleichnamstag waren durch Jahrhunderte Gegenstand von Auseinandersetzung. In Remagen hatten die Pfarrer Birtel und Grub den Mut, den Schritt zu tun, sich auch über das Hinaustragen des Brotes Jesu in die Welt zu verständigen und die Hürden zu überspringen, die sich aufgestaut hatten. Seit 1992 öffnete die evangelische Friedenskirche ihre Türen weit und die Glocken läuteten, wenn die katholische Prozession vorbeizog, Seit 1997 hielt die Prozession dort an, und die Monstranz stand während der Andacht, die Eine-Welt-Laden und AK Asyl vorbereitet hatten. auf dem geschmückten Tisch vor dem evangelischen Kirchenportal.
„Gottseidank“ sagte nach der Unterschrift einer der Redner beim Abschluss des Gottesdienstes vom 8.Januar in der St.Peter- und Paul-Kirche. Ja, Gott sei gedankt für die Einsicht, die alles dies ermöglicht hat und für seinen Geist, der hierbei zur Seite stand.
Annette Hagemann, Sabine Schwarz, Dr. Hans-Joachim Bode